Wie steht es um die Alzheimer-Forschung nach der Nicht-Zulassung des Wirkstoffs Lecanemab in Deutschland und den EU-Staaten? Der Antikörper, der unter dem Markennamen Leqembi bekannt ist, wird derzeit bereits in Ländern wie den USA, China und Japan zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit eingesetzt. Auch Großbritannien hat kürzlich eine Zulassung erteilt, allerdings unter bestimmten Auflagen und Einschränkungen. Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) informiert anlässlich des Welt-Alzheimertags am 21. September über den aktuellen Stand der Forschung.
Die Entscheidung der EMA zu Lecanemab
Für viele Expertinnen und Experten war die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) vom 26. Juli 2024 überraschend und führte zu intensiven Diskussionen. Wäre Lecanemab zugelassen worden, wäre es das erste Medikament in Deutschland gewesen, das eine der Hauptursachen der Alzheimer-Krankheit bekämpft: Der Wirkstoff reduziert Beta-Amyloid-Plaques, also schädliche Eiweißablagerungen im Gehirn, und kann den Krankheitsverlauf um einige Monate verlangsamen. Eine Heilung bietet es jedoch nicht. Schwerwiegende Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und -blutungen können bei der Behandlung auftreten. Die EMA begründete ihre Ablehnung damit, dass der Nutzen des Medikaments im Vergleich zu den potenziellen Risiken zu gering sei. Der Hersteller Eisai plant, eine erneute Prüfung der Entscheidung zu beantragen, ein endgültiges Ergebnis steht jedoch noch aus.
Zulassung in Großbritannien
In Großbritannien wurde der Wirkstoff im August 2024 unter bestimmten Bedingungen zugelassen. Patienten mit einem besonders hohen Risiko für schwere Nebenwirkungen sind von der Behandlung ausgenommen. Prof. Stefan Teipel vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hält diese Entscheidung für sinnvoll. „Es wäre auch für Deutschland eine Überlegung wert, Risikogruppen von der Behandlung auszuschließen und die Therapie auf spezialisierte Zentren zu beschränken, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.“ Teipel, der die Klinische Forschung am DZNE Rostock/Greifswald leitet und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der AFI ist, warnt jedoch vor Nachteilen für Deutschland und die EU-Länder, falls die EMA an ihrer Entscheidung festhält. „In den USA und Japan werden jetzt wichtige praktische und wissenschaftliche Erfahrungen mit Lecanemab gesammelt. Ich befürchte, dass wir in Europa von diesen Fortschritten und Forschungen ausgeschlossen werden – sowohl als Wissenschaftler als auch im Hinblick auf die Behandlung von Patienten.“
Die Entscheidung zu Donanemab steht noch aus
Ein weiteres Alzheimer-Medikament, Donanemab, das zur gleichen Wirkstoffgruppe wie Lecanemab gehört, wartet noch auf die Zulassung durch die EMA. Es zielt ebenfalls auf die Entfernung von Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn ab und kann ähnliche, teils schwere Nebenwirkungen haben. Es gibt jedoch Unterschiede: Donanemab muss möglicherweise nicht dauerhaft verabreicht werden, während Lecanemab langfristig eingesetzt wird. In Studien konnten viele Patienten die Behandlung mit Donanemab nach 12 Monaten pausieren, da die Amyloid-Ablagerungen ausreichend reduziert waren. Vergleichbare Daten liegen für Lecanemab bisher nicht vor. Ob die EMA eine andere Bewertung der Nutzen-Risiko-Abwägung bei Donanemab vornimmt und wann eine Entscheidung fällt, ist derzeit offen.
Heilung von Alzheimer noch nicht in Sicht
Eine vollständige Heilung der Alzheimer-Krankheit bleibt weiterhin außer Reichweite. „Auch wenn Antikörper wie Lecanemab oder Donanemab weiterentwickelt werden und wir die Nebenwirkungen besser kontrollieren können, wird das nicht ausreichen. Alzheimer ist eine komplexe Krankheit, und wir müssen verschiedene Krankheitsursachen angehen“, erklärt Dr. Anne Pfitzer-Bilsing, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei der AFI. Sie betont, dass für eine Heilung eine Kombinationstherapie nötig sein wird, die individuell auf das Krankheitsbild der Patienten zugeschnitten ist.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz sind Tau-Protein-Ablagerungen, die ebenfalls zum Absterben von Nervenzellen bei Alzheimer beitragen. „Auch bei Entzündungsprozessen im Gehirn, Stoffwechsel- und Durchblutungsstörungen, genetischen Faktoren oder der Darmgesundheit sehen wir vielversprechende Forschungsansätze. Doch trotz der jüngsten Erfolge liegt noch ein langer Weg vor uns, bis eine Heilung erreicht ist.
Quelle:
Über die Alzheimer Forschung Initiative e.V.